Good Vibes & Loud Music
Discover the Untold Stories of Europe's Youngest Country
From bustling co-working spaces in Prishtina to the snow-covered streets of Peja, Kosovo invites you to slow down, sip your coffee, and connect with its resilient people. Dive into heartfelt conversations about identity, tradition, and progress, all while indulging in mouthwatering local delights. Where else can you witness a mosque's call to prayer alongside rainbow-lit church towers?
Kosovo is more than a destination—it's a story of perseverance, hope, and the quest for belonging. Ready to uncover it?
![A church in Prishtina](https://image.jimcdn.com/app/cms/image/transf/dimension=910x10000:format=jpg/path/sa3f7dfaf278245b7/image/i3b37a000800d1c4c/version/1735927793/image.jpg)
Freitagsnachmittags in ein Szenecafé zu gehen, ohne einen Tisch zu reservieren, ist das Beste, was mir auf der Reise passiert ist: Anstatt mich wieder wegzuschicken, weil das Café schon aus allen Nähten platzte, wurde ich an den Co-Working-Space verwiesen. Ein riesiger grüner Holztisch, umgeben von Bücherregalen und mit Steckdosen auf der Arbeitsfläche, an dem junge Menschen in ihre Bücher oder Videocalls vertieft sind. Um hier Platz zu nehmen, braucht es keine Reservierung. Ich komme mit zwei jungen Frauen ins Gespräch und bekomme geduldige Antworten auf alle meine Anfängerfragen, was den Grundstein für die nächsten Tage meiner Reise legen soll. Herzlich Willkommen im Kosovo.
![A mosque in Prishtina Old Town](https://image.jimcdn.com/app/cms/image/transf/dimension=910x10000:format=jpg/path/sa3f7dfaf278245b7/image/i9e991d8d57af49f4/version/1735927804/image.jpg)
Jüngste Land Europas
Das Café, das so angesagt in der Hauptstadt Prishtina ist, heißt Soma Book Station. Auf dem mit Lichterketten geschmückten Eingangsschild steht „Bar/Lounge“. Dies ist ganz typisch im Kosovo. Das Wort „Café“ wird kaum verwendet, weil man überall auch Cocktails bestellen kann. Kosovo ist das jüngste Land in Europa. Erst 2008 hat es seine Unabhängigkeit erklärt – und bis heute wird es nicht von allen Staaten als Land anerkannt, darunter zum Beispiel Honduras, Spanien und Ecuador. Das bedeutet, dass alle Menschen, die älter als 17 Jahre sind, die Transition von den von Serbien besetzten Gebieten zur eigenständigen Republik Kosovo hautnah miterlebt haben.
![Typical Book Store](https://image.jimcdn.com/app/cms/image/transf/dimension=910x10000:format=jpg/path/sa3f7dfaf278245b7/image/i1ede81d5600a9192/version/1735927814/image.jpg)
Politik als Thema erlaubt
Meine Gesprächspartnerinnen bestätigen: „Es gibt keine Familie im Kosovo, die nicht durch den Krieg jemanden verloren hat. Die Geschichten unserer Eltern sind sehr einprägsam.“ Auch sagen sie, dass die Unabhängigkeit zwar enorm wichtig für sie ist, aber nicht den Konflikt gelöst hat. Im heutigen Kosovo leben unter anderem noch einige Serbier:innen, und in unregelmäßigen Abständen kommt es auch noch zu Ausschreitungen. Vor allem die Stadt Mitrovica ist davon betroffen. Sie liegt nahe der Grenze zu Serbien (das bis heute behauptet, Kosovo sei ein Teil von ihnen), und dementsprechend aufgeladen ist die Stimmung dort. Dass wir nach fünf Minuten schon über „Politik“ reden, ist ungewöhnlich für mich. Daher frage ich nach: „Ist das für euch okay, darüber zu sprechen?“ Die Frauen lachen. „Natürlich“, sagen sie. „Der Krieg ist noch so präsent. Er wird überall verarbeitet. In der Musik, im Theater, in Filmen. Wir reden ständig darüber.“ Und das gibt mir auch Sicherheit für meine Rundreise, wen immer ich treffe, mit Fragen zu löchern.
![Cake for Dinner](https://image.jimcdn.com/app/cms/image/transf/dimension=910x10000:format=jpg/path/sa3f7dfaf278245b7/image/i48042bab19be17ae/version/1735927827/image.jpg)
Albanier unter Albaniern
In Prizren, ganz oben auf der Zitadelle (Kalaja e Prizrenit), komme ich mit einer Gruppe von Mädchen ins Gespräch, die in Deutschland, in Kiel, leben, aber über Weihnachten „nach Hause“ gefahren sind. „Ist das hier im Herzen für euch zu Hause?“, will ich wissen. Sie sagen: „In Deutschland sind wir zu albanisch, und im Kosovo sind wir zu deutsch. Wir wissen nicht, wo wir uns selbst einordnen sollen. Deshalb haben wir in Deutschland auch überwiegend albanische Freundinnen, da sie dieses Gefühl kennen.“
![Snow on my way to Peje](https://image.jimcdn.com/app/cms/image/transf/dimension=910x10000:format=jpg/path/sa3f7dfaf278245b7/image/ia31e4a2f78b36cb9/version/1735927837/image.jpg)
"Sie können nichts dafür"
Bei meinem nächsten Stopp in Gjakova ist die Hauptaktivität: Kaffee trinken. Wie so oft im Kosovo. Der Kälte wird getrotzt – schon morgens um 8 Uhr legen die Café-Besitzer die Stuhlkissen in die Außenbereiche. Ob da wohl jemand kommt, frage ich mich. Doch wenig später ist die kleine Fußgängerzone gefüllt, und auf einmal muss ich mich beeilen, um noch einen guten Platz für meine heutigen Beobachtungen zu bekommen :) Ich lerne eine australische Reisende kennen und mit ihr auch noch eine Einheimische. Wie immer eröffnet das Themenfeld „Politik“ das Gespräch, bevor wir zu „Reisen“ und „Deutschland“ übergehen. Schon lange wollte ich das fragen, und jetzt fühlt es sich angemessen an: „Hast du serbische Freunde?“ Die Antwort rührt mich: „Sie können nichts dafür. Die jetzige Generation ist in den Krieg geboren worden. Es ist gesellschaftlich für die Älteren schwer zu akzeptieren. Aber ja, ich habe ein paar serbische Freunde. Doch wir reden niemals über Politik.“
![Walkable City Prihstina](https://image.jimcdn.com/app/cms/image/transf/dimension=910x10000:format=jpg/path/sa3f7dfaf278245b7/image/i84f0025503f3125f/version/1735927849/image.jpg)
Der Kälte zum Trotz
Auch in Peja macht die Kälte und der Schnee den Anwohnern nichts aus. Die Outdoorbereiche der Caféhäuser sind gefüllt. In der Innenstadt werden Live-Konzerte gespielt, und wie in jeder Stadt fällt die Entscheidung schwer: traditionelles Essen? Doch lieber eine Protein-Bowl? Oder warmer Börek von der Bäckerei? Köstlicher Kuchen aus den einheimischen Konditoreien?
Die Preise im Kosovo laden zum Schlemmen ein, die Vibes zum Verweilen. Coffee-to-go ist nicht üblich. Keine Hektik, kein Stress und kein Gehetze. Im Kosovo gilt es, den Moment zu genießen, soziale Verbindungen zu stärken und die Freiheit zu feiern.
![A street market in Mitrovice](https://image.jimcdn.com/app/cms/image/transf/dimension=910x10000:format=jpg/path/sa3f7dfaf278245b7/image/i99df2c188d1413ec/version/1735927863/image.jpg)
Kultur und Religion werden gedehnt
Doch ohne Preis kommt das nicht. Die Frauen im „Soma Book Station“ beschreiben, wie sie den Struggle des jungen Landes nach der Unabhängigkeit wahrnehmen: „Wir befinden uns in einem Spagat zwischen Tradition und Europa. Zwischen Unabhängigsein und Dazugehören-Wollen. Und das führt auf beiden Seiten zu einer Überkompensation der Werte.“ Damit meinen sie auf der einen Seite Religionsgruppierungen, die sich besonders konservativ neu formieren. Und auf der anderen Seite sprechen sie von einer „Überidentifikation mit Europa“. Das sehe man dann vor allem an den super kurzen Röcken, den tiefen Ausschnitten und den nie endenden Partys – in einem Ausmaß, das weit über den europäischen Durchschnitt hinausgeht. „Europa ist unsere Chance.“ In einer geographischen Region, die uns nicht unabhängig haben möchte, nimmt das kleine Land für die EU-Aufnahme alle Anstrengungen in Kauf. So wird zum Beispiel friedlich geduldet, dass zum muslimischen Gebetsruf der Moschee ein Bier auf dem Weihnachtsmarkt getrunken wird und der christliche Kirchturm in der Altstadt im Pride-Month in Regenbogenfarben leuchten darf.
![Street in Prishtina](https://image.jimcdn.com/app/cms/image/transf/dimension=910x10000:format=jpg/path/sa3f7dfaf278245b7/image/i08038405e37ae736/version/1735927878/image.jpg)
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