Tobias schreibt: Motorradkauf in Ouagadogou

 

 Mein Reiseblog ist 2014 als ganz einfache Textesammlung über meine Solo-Rucksack-Reisen gestartet. Ende 2016 ist der Blog dann auf diese viel schönere Seite umgezogen und "solo" bin ich auch nicht mehr unterwegs. Tobias gehört zu meinem Alltag genauso, wie zu den Abenteuern und Reisen. Er inspiriert mich oft, neue Artikel für meinen Blog zu schreiben. Deshalb wird er ab sofort offiziell in meinen Reiseblog integriert – als Autor, auf deutsch. In seinem ersten Gastbeitrag, erzählt er, wie er nach Ouaga fuhr, um ein Motorrad zu kaufen. Die Herausforderung dabei war weder der Papierkram, noch die Preisverhandlung, sondern das interkulturelle Feingefühl!

 

 

 

Schon vor der Ausreise nach Burkina Faso war es wichtig für uns, ein Netzwerk aufzubauen und so viele Kontakte wie möglich zu knüpfen. Deshalb haben wir über Couchsurfing und Facebook schon viele Leute angeschrieben, die in Burkina wohnen. So haben wir auch Augustin* kennen gelernt, ein Burkinabé.

 

Augustin ist ein sehr zurückhaltender, netter Mensch, er wird uns in der nächsten Zeit helfen ein Haus zu finden, ein Auto zu kaufen und weiterhin Kontakte zu knüpfen.

 

Nachdem wir ein Haus (auf den zweiten Anlauf) gefunden haben, juckt es mich in den Fingern endlich ein Fortbewegungsmittel zu finden. Meine Frau hat ein Projektfahrzeug, das allerdings nur für dienstliche Zwecke verwendet werden darf. Ich fühle mich schon seit einigen Tagen "gefangen" in unserem schönen Haus. Ein Auto zu finden gestaltet sich schwerer als gedackt. (Kein Angebot in Fada und viel zu utopische Preise in Ouaga) Also lege ich den Fokus zunächst auf ein Motorrad. Jeder fährt Motorrad, dies ist Fortbewegungsmittel Nr.1 hier. Selbst bis zu 5 Ziegen kann man damit transportieren, einfach unglaublich.

 

Ich rufe Augustin an und bitte Ihn, mit mir in die Hauptstadt zu fahren, um mir beim Motorradkauf zu helfen. Er fragt mich, wann wir fahren sollen und ich antworte: „Am besten direkt morgen. Ich fühle mich hier gefangen ich brauche unbedingt ein Motorrad!“ Er versteh mich sofort und sagt, was ein guter Freund nunmal sagt: „Kein Problem, ich kaufe heute die Tickets für den Bus und wir fahren morgen früh um 10 Uhr los.“

 

Wir treffen uns pünktlich am Bus, uns steht eine 6h Fahrt bevor, für 220km! Die Straßenverhältnisse sind katastrophal, es sind 42°C. Die Busfahrt ist wirklich ermüdend, es ist eng und heiß, die Sitze ruckeln in ihrer Verankerung. Der Bus hat in den letzten Jahren offenbar deutlich gelitten, Klimaanlage? Nicht hier! Dafür gebrochene Fensterscheiben.

 

Als wir in Ouagadougou ankommen, sind wir beide müde und kaputt. Augustin hat schon auf der Fahrt über sein Netzwerk einen kleinen Roller organisiert, um die Kosten für ein Taxi zu sparen. Dabei übernehme ich doch alle Kosten der Reise, auch ein Taxi hätte ich bezahlt. Jedoch kommt das für Augustin nicht in Frage, er hilft wo er nur kann!

 

Mich plagt schon seit Beginn der Reise ein schlechtes Gewissen. Wie soll ich mich für die ganze Hilfe revanchieren, für die Zeit die Augustin opfert, für die ganzen Strapazen der Reise? Anfangs war ich skeptisch und dachte, dass er doch irgendeine Gegenleistung für die ganze Hilfe haben möchte. Vermutlich wird er mich am Ende um einen großen Geldbetrag bitten oder so. Ich habe mich getäuscht, Augustin hilft uns einfach nur aus Gastfreundschaft, das ist für Ihn selbstverständlich.

 


 

Ich habe in einer Facebook Expat Gruppe ein Motorrad gefunden, welches ich mir anschauen möchte. Zusätzlich hat Augustin über seine Kontakte drei weitere Besichtigungstermine organisiert. Ich bin überwältigt, wie gut die Menschen hier vernetzt sind, es scheint jeder jeden zu kennen, einfach unglaublich.

 

Das dritte Motorrad ist ein Volltreffer. Augustin organisiert alles weitere. Wir fahren zur Bank, er setzt einen Kaufvertrag auf und wird auch die Ummeldung für mich durchführen.

 

Dieser Tag hat uns wirklich viel abverlangt, Augustin natürlich mehr als mir. Ich spreche kein Französisch, also hat Augustin die ganze Zeit für mich geredet. (und es mir dann auf deutsch übersetzt). Er hat es mir wirklich einfach gemacht, was es natürlich umso schwieriger für Ihn gemacht hat. Um mich zu revanchieren, habe ich für uns ein schönes Hotel mit Klimaanlage ausgesucht. Von vornherein war abgesprochen, dass ich die Kosten für das Hotel übernehme! Als wir am Hotel ankommen sind, sagt Augustin er habe sich in der Nähe ein günstigeres Zimmer reserviert. Ich bin zunächst etwas verwirrt und denke dann aber, dass er vielleicht etwas Privatsphäre braucht und deshalb in einem anderem Hotel schlafen möchte. Doch mich wundert, wieso er solch ein tolles Hotel freiwillig ablehnt. Ich zahle also sein günstiges Hotelzimmer und wir verabreden uns zum Abendessen.

 

Ich habe ein tolles Restaurant ausgesucht, wo ich zuvor schon einmal mit Laura war. Das Essen ist ausgezeichnet und der Service exzellent! Ich bin mir sicher, dass es Augustin gefallen wird. Das mindeste was ich tun kann, ist ihn auf ein aussergewöhnliches Abendessen einzuladen. Wenn schon nicht das tolle Hotel....

 

 

 

Im Restaurant werden wir von einem Kellner empfangen und zum Platz gebracht. Er gibt uns die Speisekarte und sagt welche Spezialitäten der Chefkoch heute empfiehlt.

 

 

 

Augustin sieht den Kellner fragen an und schaut in die Karte. Ich fühle mich etwas unwohl, aber denke mir erst einmal nichts dabei. Nach den(wenigen) typischen Gerichten, die in Fada in jedem Restaurant zu haben sind, freue ich mich schon auf etwas Aussergewöhnliches: Pizza, Burger, Steaks - die Auswahl ist einfach riesig. Und dazu das Ambiente: Man sitzt unter dem Sternenhimmel. Die im Boden eingelassen Halogenleuchten strahlen die Palmen an, alles wirkt wie in einem Paradiesgarten. Laura und ich konnten damals gar nicht glauben, dass wir direkt am Anfang so ein tolles Lokal gefunden haben.

 

Ich frage Augustin, für was er sich entschieden hat. Doch er klappt die Karte zu und sagt gar nichts. Als der Kellner kommt, bestellt Augustin eine Pommes und ein Wasser. Ich frage Ihn, ob für Ihn denn gar nichts dabei sei? Er antwortet nur: „Ich mag afrikanische Restaurants. Diese Speisekarte ist viel zu groß, bei uns gibt es 3 Gerichte und das ist genug.“

 

 

Wir verlassen das Restaurant mit einer gemischten Stimmung. Mit der Einladung in dieses Restaurant habe ich das Gegenteil erreicht, als das, was ich wollte. Ich habe ihm eine Freude machen wollen, mit einem Restaurant, in das er sonst vielleicht nicht geht, vielleicht auch, weil die Preise so hoch sind. Nun aber denke ich, dass er dort einfach nicht essen möchte, weil ihm die Auswahl einfach nicht zusagt und einfach nicht schmeckt. Und nicht weil er es nicht bezahlen könnte. Das Gute ist eben nicht immer das Teuerste.

 

 

Wieso denke ich, dass etwas "Europäisches" besser ist, als etwas traditionell "Afrikanisches"?

 

Im Nachhinein ärgere ich mich, ich hätte Augustin entscheiden lassen sollen, wo er essen möchte. Das wäre eine weitaus schönere Geste des Dankes gewesen, als ihm etwas, was ich als gut befinde, aufzuzwingen.

 

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